Archive for the 'Gedichte' Category

Vor zweihundert Jahren

 
schwst-o
 

Johann Wolfgang von Goethe
Gedicht aus dem Nachlaß
Aus dem Umkreis des West-östlichen Divan
 
 
Wo man mir Guts erzeigt überall,
   ’s ist eine Flasche Eilfer.
Am Rhein und Main, im Neckartal,
   Man bringt mir lächlend Eilfer.
Und nennt gar manchen braven Mann
   Viel seltner als den Eilfer:
Hat er der Menschheit wohlgetan,
   Ist immer noch kein Eilfer:
Die guten Fürsten nennt man so,
   Beinahe wie den Eilfer;
Uns machen ihre Taten froh,
   Sie leben hoch im Eilfer.
Und manchen Namen nenn’ ich leis,
   Still schöppelnd meinen Eilfer:
Sie weiß es, wenn es niemand weiß,
   Da schmeckt mir erst der Eilfer.
Von meinen Liedern sprechen sie
   Fast rühmlich wie vom Eilfer,
Und Blum’ und Zweige brechen sie,
   Mich kränzend und den Eilfer.
Das alles wär’ ein größres Heil -
   Ich teilte gern den Eilfer -
Nähm’ Hafis auch nur seinen Teil
   Und schlurfte mit den Eilfer.
Drum eil’ ich in das Paradies,
   Wo leider nie vom Eilfer
Die Gläub’gen trinken. Sei er süß
   Der Himmelswein! Kein Eilfer.
Geschwinde, Hafis, eile hin!
   Da steht ein Römer Eilfer!

 
schwst-u
 

1811 war ein Kometenjahr und ein hervorragendes Weinjahr.

 

Schäferstunde

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Auch ich bin in Arkadien gewesen,
    Wo zwischen Blüten früh das Wollvieh äst,
Geboren aus dem allermeisten Grunde
    Und Ende auch – gehäutet dann wen schert’s.

Wo flaue Winde gleich der trägen Mahnung
    Abstreichen was von Leibe stammt
Und auch was kauert und was fährt so schnell
    Im roten Pickup aus Toyotas Därmen.

Im Rausch der Küste, wo die Brandung mahlet
    Zu Sand all’ Formen, da ist Nichts was bleibt
Es weilet mit dem Traum deines Erbarmen
    Bis zu dem letzten Molekül – nenn’s Hoffnung,
Leiden, Epos – am Ende fällt der Narr.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Titan!

Lord Byron

Prometheus

I

Titan, es wollte deinen ewigen Augen
Das Elend all der Sterblichkeit
Im Licht der traurigen Wirklichkeit
Nicht göttlicher Verachtung taugen.
Was war des Mitleids Lohn für dich ?
Ein Leiden, stumm und nachdrücklich:
Der Geier, der Fels, in Ketten gelegt,
Alles, was der Edle an Schmerzen erträgt;
Doch zeigt er nicht die Agonie,
Das würgende Gefühl von Weh,
Spricht nur in höchster Einsamkeit,
und fürchtet dann am Himmel immer
Noch Ohren. Es dringt kein Wimmer,
Bis seine Stimme ohne Echo bleibt.

II

Titan, dir war der Streit gegeben,
Der zwischen Leid und Wille sich entspann,
Die quälen, wo man nicht töten kann.
Der unerbittliche Himmel, eben
Des Schicksals taube Tyrannei,
Vom Grunde herrschend, Haß dabei,
Die, sich zur Freude gern errichten,
Die Dinge, die sie dann vernichten,
Verwehrten dir des Todes Gunst,
Unsterblichkeit, elende Gabe
war dein – die Last hat dich nicht übermannt.
Ja, was der Donn’rer dir entwunden
schleuderte drohend ins Genick
Ihm Martern, wie sie dich gedrückt:
Sein Schicksal, das du ihm gefunden,
Hast du ihm nicht benannt.
Und aus deinem Schweigen sein Urteil klingt
Und vergebliche Reumut seine Seele durchdringt
Und schreckliche Furcht, die, ungebannt
Ließ zittern die Blitze in sener Hand.

III

Dein göttlich’ Verbrechen war Güte zu zeigen
Und so durch deine hilfreichen Lehren
Der Summe des menschlichen Elends zu wehren
Und zu kräftigen ihn mit Verstand ihm eigen.
Doch genarrt wie du warst aus der Höh’,
Starr in geduldiger Energie,
Starr im Ertragen, im Widerstand
Deines undurchdringlichen Geistes,
Vergeblich von Erde und Himmel berannt
Uns gewaltigen Hinweis verheißt es:
Du bist Symbol und Zeichen
Für Sterbliche, für ihr Schicksal und Kraft
Gleich dir sie halb Göttlichem gleichen
Aus reinem Quell getrübter Saft
Es sieht der Mensch zum Teil voraus
Sein eigenes Ende im Totenhaus,
Sein Elend, seine Resistenz,
Seine traurige, einsame Existenz -
Doch darf sein Geist sich dagegen erheben,
Und ebenso allem Weh widerstreben.
Und festen Willen, und tiefen Sinn,
Der selbst gefoltert zu sehen vermag
Des eigenen Mittelpunkts Gewinn;
Triumph, wo Widerstand er wagt,
Und Tod in Sieg verwandelt.

 

Lord Byron

Lord Byron

 

Hoffnung, promethisch

 
Es scheint der Mond, und alle Sterne schweigen.
Auf altbewährter Sonnenbahn
Zieh’n die Planeten ihren Reigen.
Ein Gruß, und es ist aufgetan
Dein Reich der Freuden, Schmerzen, Leiden.

Du nennst es ewiges Gesetz,
Daß solche Wärter längst entschieden,
Als du den ersten Fuß gesetzt,
Den ganzen krummen Weg hienieden.
Der Kreiseltanz verzehrt dich ganz.

Willst du dem Bannkreis nicht entfliehen ?
Willst du den Wächtern nicht entweichen ?
Nimmt deine Seele Schranken hin,
Wo ihr doch Sehnsucht und Begriff
Ins Unumgrenzte reichen ?
 

Grund

 
Blut wird immer gern vergossen,
Sei’s ein Rinnsal, sei’s in Strömen;
Menschen hat es nie verdrossen
Anderen ihr Blut zu nehmen.

Ich vergieß’ mein Herzblut selber,
Brauche keine fremden Strolche,
Ich vergieß’ mein Herzblut selber,
mit der Zunge spitzem Dolche.