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Ohne Worte

 
Das geschriebene Wort trage schon den Keim des Mißverständnisses in sich, das Gesprochene den der Versöhnung, sagte mal André Heller.

Das sagte er wahrscheinlich wegen der nonverbalen Komponente. Da funktioniert Verbrüderung, da können die Gesten und der Ton der Stimme viel mehr Gewicht haben und anderes überbringen als der gesprochene Text. Im Drama ist es ein erprobtes Mittel, oft dahin zugespitzt, daß Entgegengesetztes ausgedrückt wird. Wobei das nonverbal, mit der Sprache aus der Affenzeit Gesagte, das größere Gewicht hat.

Gutes Benehmen bezieht sich auf das, was die nonverbale Kommunikation ausdrückt.
 

Die Wahrheit der Lüge

 
Die nonverbale Kommunikation ist die Urform der Kommunikation. Die Menschen üben sie untereinander schon viel länger aus als die Sprache, und sie funktioniert ebenso über die Artgrenzen hinaus mit Hunden oder mit Schimpansen. Sie ist der Grund, warum ehemalige anatolische Bauern jahrelang in Berlin zufriedenstellend arbeiten können, ohne groß Deutsch zu lernen. Es ist Kommunikation in bezug auf das Gegenwärtige.

Sprache hingegen ist Simulation, das Gegenteil von Gegenwärtigem. Erzählen, wie es gestern war oder wie es ganz woanders ist. Mit der Sprache stellt sich die Frage nach Lüge und Wahrheit – es wird eine Realitätsklasse angeboten, die echt aussieht, jedoch gefälscht sein kann. Wegen der Verwendung der Sprache wurde es für die Menschen erforderlich, überhaupt zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden zu lernen. Im Dekalog ist das Gebot enthalten, kein falsches Zeugnis abzugeben.

In allen guten Geschichten geht es um Intrigen, es geht immer um den Umgang mit der Wahrheit in der Simulation.

Alles Drama ist Lüge, die Essenz der Darstellung der Wirklichkeit durch den Geist ist, daß es gelogen sein kann. Der Film ist Meta-Intrige, schon die Darstellung selbst ist eine Lüge, die vermeintliche Bewegung besteht aus aneinandergereihten Standbildern.
 

Faktische Diskrepanz

 
Metaebene: die Sprache ist die Urspaltung oder Urhinzunahme; nicht nur Fakt, sondern auch Fiktion. Tatsache und Vorstellung oder besser, die Vorstellung kommt zu den Tatsachen hinzu, setzt sich drauf, von der Sprache/Lüge bis zu ceci n’est pas une pipe/Magritte. In unserer Medienwelt ganz und gar. Das geht tief bis ins Denken hinein. Theater als archaische Form, wann wird es entstanden sein? Noch in den Sippenjagdlagern.