Monthly Archive for January, 2009

Hundert Jahre ein Millimeter

 
J. brachte mir unlängst noch Präsente, darunter einen Kalkstein aus Franken, den er selbst angeschliffen hatte. Dadurch traten die Schichten, die sich bei der Bildung des Steines abgelagert hatten als Striche in unterschiedlichen Brauntönen hervor. Ein Millimeter davon sei in hundert Jahren gewachsen.

In zweihundert Millionen Jahren werden unsere Kämpfe hienieden auch bloß noch Striche in einem Stein in der Hand eines Jungen sein …

Schichten

Schichten

Nachtrag: es sind nur 60 Jahre ein Millimeter. Altersbestimmung von Bohrkernen
 

Lotto

 
Das Danebengreifen, -treffen, Nichterreichen und Versäumen ist vertrautes Gelände. Nicht umsonst ist das Scheitern ein Thema, das jeder gleich versteht. Ist es nicht so?
 
Die Gewinnerlose sind verteilt in einem Meer von Nieten und nichts zu fangen ist die leichteste Übung.
 

Recycling

 
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In seinen Anfangsjahren erbaute Sisyphus die Stadt Korinth. Dort soll er sich mit einer Räuberbande des Isthmus bemächtigt und alle, die in seine Hände gerieten durch das Auflegen von schweren Steinen hingerichtet haben. Er hatte ein gespanntes Verhältnis zum Tod. Seiner Gattin befahl er, seinen Leichnam nicht zu bestatten, um in Plutos Reich eine Rückkehr ins Leben erwirken zu können, was auch gelang. Er soll sogar den Tod eingefangen und festgesetzt haben, so daß Pluto den Mars zu dessen Befreiung schicken mußte, da ihm der Nachschub an Seelen ausging. Zur Strafe muß Sisyphus auf ewig im Tartaros einen schweren Stein einen Berg hinauf wälzen, der aber immer wieder herab rollt. Die großen Dramatiker Sophokles, Aeschylus und Euripides haben die Geschichte aufgegriffen, ihre Tragödien darüber sind jedoch verschollen.

Seine Strafe ist eigentlich angemessen – er wollte nicht sterben, wollte fortwährend leben, deshalb wird er zu ewiger Tätigkeit verdammt. Daß diese sinnlos ist – nun, das haftet schließlich aller Tätigkeit im Rückblick aus der Ewigkeit an.
 

Was bisher geschah

 
1,4 Mio – ältestes Werkzeug Chopper
1,4 Mio – älteste Spuren von Feuerstellen (Afrika)
750.000 – älteste Spuren von Feuerstellen (Europa)
700.000 – Heidelberger Mensch
700.000 – Werkzeug Zweiseiter (Faustkeil)
300.000 – ältester Fichtenspeer
250.000 – Steinheimer Mensch
100.000 – Werkzeug Schaber
90.000 – älteste Grabstelle (Israel)

Cro Magnon

Cro Magnon


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
80.000 – 40.000 – Neanderthaler Mensch
50.000 – 30.000 – Cro Magnon Mensch
40.000 – älteste Kunst, Symbole
30.000 – 20.000 – weibliche Figurinen
20.000 – 10.000 – Ende der letzten Eiszeit
20.000 – 10.000 – Wandkunst (Höhlenmalerei)
12.000 – 10.000 – Seßhaftwerdung, Ackerbau, Patriarchat
8.000 – 6.000 – Städte
1.500 – 1.200 – Trojanischer Krieg
50 v.Chr. – Caesar Römisches Reich
1500 n.Chr. – Entdeckung Amerikas, Weltumsegelung
1900 – Verbreitung elektrischer Strom, Kraftwagen und Fernsprecher
1957 – erster künstlicher Satellit in der Erdumlaufbahn
1900 – 2000 – Jahrhundert der Völkermorde, trotzdem schwillt die Weltbevölkerung auf über 6 Mrd. Individuen an
 

Ohne Worte

 
Das geschriebene Wort trage schon den Keim des Mißverständnisses in sich, das Gesprochene den der Versöhnung, sagte mal André Heller.

Das sagte er wahrscheinlich wegen der nonverbalen Komponente. Da funktioniert Verbrüderung, da können die Gesten und der Ton der Stimme viel mehr Gewicht haben und anderes überbringen als der gesprochene Text. Im Drama ist es ein erprobtes Mittel, oft dahin zugespitzt, daß Entgegengesetztes ausgedrückt wird. Wobei das nonverbal, mit der Sprache aus der Affenzeit Gesagte, das größere Gewicht hat.

Gutes Benehmen bezieht sich auf das, was die nonverbale Kommunikation ausdrückt.
 

Stummelschwänze

 
Wenn man einen Hund außer Gefecht setzen will, muß man ihn am Schwanz packen und hochreißen. Um das zu erschweren oder zu verhindern, wird mancher Rasse die Rute kupiert.
 

Die Wahrheit der Lüge

 
Die nonverbale Kommunikation ist die Urform der Kommunikation. Die Menschen üben sie untereinander schon viel länger aus als die Sprache, und sie funktioniert ebenso über die Artgrenzen hinaus mit Hunden oder mit Schimpansen. Sie ist der Grund, warum ehemalige anatolische Bauern jahrelang in Berlin zufriedenstellend arbeiten können, ohne groß Deutsch zu lernen. Es ist Kommunikation in bezug auf das Gegenwärtige.

Sprache hingegen ist Simulation, das Gegenteil von Gegenwärtigem. Erzählen, wie es gestern war oder wie es ganz woanders ist. Mit der Sprache stellt sich die Frage nach Lüge und Wahrheit – es wird eine Realitätsklasse angeboten, die echt aussieht, jedoch gefälscht sein kann. Wegen der Verwendung der Sprache wurde es für die Menschen erforderlich, überhaupt zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden zu lernen. Im Dekalog ist das Gebot enthalten, kein falsches Zeugnis abzugeben.

In allen guten Geschichten geht es um Intrigen, es geht immer um den Umgang mit der Wahrheit in der Simulation.

Alles Drama ist Lüge, die Essenz der Darstellung der Wirklichkeit durch den Geist ist, daß es gelogen sein kann. Der Film ist Meta-Intrige, schon die Darstellung selbst ist eine Lüge, die vermeintliche Bewegung besteht aus aneinandergereihten Standbildern.
 

Ein weites Feld

 

Auch unsere Gedanken sind wircksame Factoren des Universums.

Novalis, Fragmente und Studien 1799/1800 (603)

 

2 Prozent Skonto

 
Zuerst war Nichts, kein Raum und keine Zeit. Und dann kam der Urknall – aus dem Nichts, naturgemäß. Mit ihm kamen die Protonen, die späteren Kerne der Wasserstoffatome. Es begann die Nukleosynthese, es bildeten sich die Kerne einiger leichter Elemente, Helium-4, Lithium, Bor-11.
 
 
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Die Masse des Universums besteht zu 74% aus Wasserstoff, zu 24% aus Helium-4. In die restlichen 2% teilen sich alle anderen Elemente, davon der Sauerstoff als häufigstes. Bei Temperaturen unter 4.000°C fingen die Kerne Elektronen ein und wurden zu Atomen. Die Schwerkraft formte aus diesen Nebelsuppen Galaxien und Sterne. Die Sterne bildeten als Alchemisten des Universums die Elemente um und verteilten sie durch Supernova-Explosionen im Weltraum. So war das und ist wahrscheinlich bis heute so. Nur, woher kam plötzlich der Urknall? Ein Gedanke Gottes, sozusagen.
 

+

 
Die frühen Hominiden haben ihre Artgenossen integriert, verzehrt, am liebsten das Gehirn. Später bestattete man die Toten in Gräbern, bei der Einzelbestattung gab man ihnen ihren Besitz mit hinein. Heute ist man zur Erbschaft übergegangen, gewissermaßen ein symbolisches Verzehren des Verstorbenen. Die Sippschaft und der Staat teilen sich in den Nachlaß.