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Die Zwölf und die Sieben

 
Altmeister Goethe beginnt seine Lebensbeschreibung Dichtung und Wahrheit mit der Schilderung der himmlischen Aspekte bei seiner Geburt:

Am 28. August 1749, mittags mit dem Glockenschlage zwölf, kam ich in Frankfurt am Main auf die Welt. Die Konstellation war glücklich; die Sonne stand im Zeichen der Jungfrau, und kulminierte für den Tag; Jupiter und Venus blickten sie freundlich an, Merkur nicht widerwärtig; Saturn und Mars verhielten sich gleichgültig: nur der Mond, der soeben voll ward, übte die Kraft seines Gegenscheins um so mehr, als zugleich seine Planetenstunde eingetreten war. Er widersetzte sich daher meiner Geburt, die nicht eher erfolgen konnte, als bis diese Stunde vorübergegangen.

und erwähnt dabei eine Planetenstunde, nämlich die des Mondes. Uns Trägern mechanischer Uhren, die gleichförmige Sekunden abzählen ist diese Art von Stunden nicht mehr geläufig. Die Alten zählten zwölf Tages- und zwölf Nachtstunden, die naturgemäß je nach Jahreszeit eine unterschiedliche Länge hatten und ordneten jeder dieser Stunden einen der sieben Wandelsterne zu, und zwar in der Reihenfolge ihrer Umlaufgeschwindigkeit vom Langsamsten zum Schnellsten. Die erste Stunde des Montags – ab Sonnenaufgang – regiert der Mond, die Zweite der Saturn, dann folgen Jupiter, Mars, Sonne, Venus, Merkur, mit der Achten beginnt die Reihe wieder von vorne. Fährt man nach diesem Muster fort, gehört die vierundzwanzigste Stunde dem Jupiter und die darauf folgende erste Stunde des Dienstags dem Mars; solcher Art die Planeten den restlichen Stunden der Woche zugeteilt, wird jeweils die erste Stunde am Mittwoch von Merkur, am Donnerstag von Jupiter, am Freitag von Venus, am Samstag von Saturn und am Sonntag von der Sonne regiert. Daher rühren offenkundig die Namen der Wochentage, was die französischen und englischen Bezeichnungen deutlicher zeigen, im Deutschen sind die römischen Gottheiten “germanisiert” worden (Jupiter zu Donar in Donnerstag, Venus zu Freya in Freitag usw.).

 

Planetenstunden

Planetenstunden


 

Doch zurück zu Goethes Schilderung, berechnen wir nun die Uhrzeit der Mondstunde, die wir in Anlehnung an die Griechen auch Mond-Hore nennen können, für seinen Geburtstag, der ein Donnerstag war, so ergibt sich, daß sie von 11:17 bis 12:25 Uhr dauerte. Allerdings war damals noch keine MEZ vereinbart, sondern es ist zu vermuten, daß die wahre Ortszeit verwendet wurde. Die genannte Zeit von 12:25 Uhr MEZ gilt für 15° östliche Länge, für Frankfurt mit 8,6° muß man 6,4 mal 4 Minuten abziehen, das ergibt eine Ortszeit von 11:48 Uhr.

Nachtrag: Das Deutsche Reich ging am 1.4.1893 zur Mitteleuropäischen Zeit über (15° Görlitz). Die landesweite Einheitszeit war durch die Verbreitung der Eisenbahn nötig geworden.